Warum mir Privatsphäre wichtig ist

Wenn ich Messenger-Dienste, Karten-Apps oder irgendeine andere Software nutze, fühle ich mich in Bezug auf meine Privatsphäre leicht unwohl. Manchmal ist mir das sehr bewusst, ein anderes Mal kaum. Ich kann dieses Gefühl und diese Gedanken nicht richtig fassen. Es ist kompliziert: einerseits ist mir Privatsphäre wichtig, andererseits verstehe ich nicht richtig, wann sie verletzt wird und was ich dagegen tun kann. Es ist anstrengend und ich schiebe das Thema oft weg.

Ich versuche die Dinge ein wenig zu sortieren, um mich dem Thema anzunähern.

Warum mir Privatsphäre wichtig ist

Wenn ich an mein echtes Leben (RL: Real-Live) denke, dann tue ich einiges, um meine Privatsphäre zu schützen. So spreche ich beispielsweise nicht mit jeder Person über alle Themen, die mich oder andere betreffen. Ich habe Vorhänge in meiner Wohnung. Ich mache und zeige nicht alles in der Öffentlichkeit, beispielsweise keine Finanz- oder Gesundheitsdaten auf dem Laptop-Display, wenn ich im Zug bin. In meinem digitalen Leben versuche ich ebenso, meine Privatsphäre zu schützen.

Wie wichtig Privatsphäre ist, wird dann deutlich, wenn sie verletzt wird und die Verletzung ausgenutzt wird.

Wer hat denn ein Interesse an einer geringen Privatsphäre? Wer möchte besonders viele Daten haben? Es sind Regierungen, Privatunternehmen sowie Gruppen oder Personen mit negativen Absichten. Behalten wir das im Hinterkopf!

Welche Interessen gibt es? Letztlich geht es um Überwachung oder Kapitalisierung.

Diese Dinge sind nicht per se schlecht. Positiv formuliert kann eine Überwachung unserem Schutz, beispielsweise gegen Terror, dienen. Die Kapitalisierung sorgt für auf uns zugeschnittene Angebote, die uns nützlich sein können.

Diese Dinge können aber auch anders genutzt werden.

Es kann zu Identitätsdiebstahl kommen oder sonstige Verbrechen können gegen uns begangen werden. Es kann auch darum gehen, Druckmittel gegen uns zu erlangen.

Wir können aufgrund willkürlicher Parameter diskriminiert werden.
„Anhand der gesammelten Daten, ihrer individuellen Verhaltensweisen und Schwachstellen werden Verbraucher:innen in Kategorien einsortiert. Diese tragen Namen wie „Abnehmen“, „Fragile Senioren“, „Spekulative Geldanlage“.“ (Aus einer Pressemitteilung der Verbraucherzentrale zu einem Gutachten über Werbetracking.)
Welche Manipulations- oder Diskriminierungsmögichkeiten würden dir dazu einfallen?
Wenn du Konsumgüter verkaufst? Wenn du eine Versicherung oder Bank führst? Wenn du Strategien im Gesundheitsministerium entwickelst?

Wenn wir wissen, dass wir überwacht werden, kann es aus vorauseilendem Gehorsam zu einer Selbstzensur kommen („chilling effect“). „Um etwaige spätere Konflikte zu vermeiden, um nicht aufzufallen oder verdächtig zu erscheinen, wird von allem Abstand genommen, was suspekt erscheinen könnte.“ (Aus einem Artikel von Amnesty International über Überwachung und Meinungsfreiheit.)

Privatsphäre ist ein Menschenrecht

Die Privatsphäre ist kein „nice to have“, sondern eines unserer fundamentalen Menschenrechte. Sie ist eine wichtige Grundlage für andere Menschenrechte wie Meinungsfreiheit, das Versammlungsrecht und das Recht auf Freiheit von Diskriminierung.

Das Menschenrecht auf Privatsphäre lässt sich beispielsweise aus folgenden Artikeln ableiten.

Deutsches Grundgesetz:

  • Art 10: Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.
  • Art 13: Die Wohnung ist unverletzlich. Eingriffe dürfen nur unter bestimmten Bedingungen durchgeführt werden.

Europäische Menschenrechtskonvention:

  • Artikel 8: Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

  • Artikel 12: Niemand darf willkürlichen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, seine Wohnung und seinen Schriftverkehr oder Beeinträchtigungen seiner Ehre und seines Rufes ausgesetzt werden. Jeder hat Anspruch auf rechtlichen Schutz gegen solche Eingriffe oder Beeinträchtigungen.

Begriffe sortiert

Beim Recherchieren und Denken haben mich zunächst die verschiedenen Begriffe, die irgendwie ähnlich klangen, verwirrt. Um sie leichter einordnen zu können, erkläre ich sie und nenne die englischen Begriffe in Klammern. Da es manchmal kulturelle Unterschiede in der Bedeutung der Begriffe gibt, ist es nicht immer möglich, sie eins-zu-eins zu benennen, zu übersetzen und abzugrenzen.

Privatsphäre (privacy)

Es gibt historisch und kulturell unterschiedliche Auffassungen von Privatsphäre. In der Regel bezeichnet sie die persönlichen Bereiche eines Menschen außerhalb des öffentlichen Lebens, in denen er seine Persönlichkeit frei entfalten kann. In vielen Ländern ist das Recht auf Privatsphäre und Schutz vor Eingriffen durch Regierungen, Unternehmen oder Individuen in Datenschutzgesetzen verankert.

Datenschutz (data or information privacy, data protection)

Der Begriff „Datenschutz“ wird teilweise unterschiedlich definiert und interpretiert.

Grundsätzlich bezeichnet er den rechtlichen Schutz von personenbezogenen Daten.

Datenschutz kann auch als das Recht verstanden werden, dass jeder Mensch grundsätzlich selbst darüber entscheiden darf, wem er welche seiner persönlichen Daten wann zugänglich machen möchte. Dieses Recht ist eng mit dem Begriff der Datensouveränität verknüpft.

Datensouveränität (data sovereignity)

Die Datensouveränität ist die Kontrolle und Entscheidungsfreiheit einer Person über die Verwendung ihrer Daten.

Datensicherheit (cyber security, data security, data protection)

„Die Datensicherheit befasst sich mit dem technischen Aspekt der sicheren Verarbeitung sensibler Daten. Dabei soll darauf geachtet werden, welche technischen Maßnahmen erforderlich sind, um eine Manipulation, den Verlust oder den Zugriff Unbefugter auf Daten zu verhindern.“ Die drei Hauptziele sind Verfügbarkeit, Vertraulichkeit und Integrität. (Aus einem Heise-Artikel über Datensicherheit.)

Datensicherheit beschäftigt sich nicht nur mit personenbezogenen Daten, sondern auch mit öffentlichen Daten, Unternehmensdaten oder Systemdaten.

Wie bei den vorangegangenen Begriffen kann es auch hier differenziertere Auffassungen von Datensicherheit, Cyber Security und IT-Sicherheit geben.

Zusammenfassung

Auch wenn es keine eindeutigen, trennscharfen Definitionen sind, würde ich die Begriffe wie im Bild in Beziehung setzen und voneinander abgrenzen.

Eine Annäherung

Es fühlt sich immer noch nur wie eine Annäherung an das Thema an. Aber es ist etwas sortierter.

Das Thema ist sehr groß. Es gibt viele Aspekte, aus denen die Privatsphäre betrachtet werden kann oder auf die sie wirkt. Weiter unten habe ich einige Quellen aufgeführt, die das Thema vielschichtig beleuchten.

Beim Schreiben des Artikels ist mir erst deutlich geworden, dass sich das Recht auf Privatsphäre auf andere Menschenrechte auswirkt. Privatsphäre bedeutet Schutz und Freiheit für die Gesellschaft.

Umso ärgert es mich, dass Systeme nicht standardmäßig datenschutzfreundlich („privacy-friendly by default”) gestaltet sind. Dadurch bedarf es häufig Mehraufwand für die Recherche und Verwendung von datenschutzfreundlichen Lösungen.

Die Recherche dauert länger. Manchmal ist es schwierig, die passenden Informationen zu finden.
Die Einrichtung ist gerade am Anfang nicht selten aufwendiger.
Manchmal kostet es auch mehr Geld. Allerdings sollte mensch sich klar sein, dass mensch bei kostenlosen Diensten häufig mit seinen Daten zahlt.
Manchmal ist der Funktionsumfang nicht so groß.
Manchmal ist der Bedienkomfort nicht so gut wie bei den marktdominierenden Produkten.

Und manchmal gibt es richtig gute Alternativen.

Was ich tue

Aus den oben genannten Gründen ist mir Privatsphäre wichtig. Deshalb bin ich oft bereit, den Mehraufwand zu investieren. Es gibt jedoch auch Momente, in denen ich das nicht tue.

Meistens gehe ich bei der Recherche wie folgt vor:

  1. Ich suche nach potenziell passenden Alternativen. Ich schaue mir die Vorschläge auf einer der weiter unten genannten Seiten an. Falls dort nichts Passendes gelistet ist, ergänze ich die Suche um die Schlagworte „datenschutzfreundlich“, „privacy-friendly“, „alternatives“. Open Source Software ist meistens auch datenschutzfreundlicher.
  2. Generell verhalte ich mich möglichst datensparsam und bevorzuge Software, die nicht zu viele Daten abfragt. (need-to-know Prinzip)
  3. Ich achte (meistens) darauf, wo die Daten gespeichert werden. Dabei bevorzuge ich die lokale, d.h. auf meinem Gerät, und die Offline-Speicherung. Zur Synchronisation oder für andere Zwecke ist es jedoch notwendig, dass die Daten zumindest zeitweise auf einem Server liegen. In diesem Fall bevorzuge ich Angebote, die den strengeren Datenschutzgesetzen der EU genügen.

Ich versuche, eine Balance zu finden. Wenn es datenschutzfreundliche Alternativen gibt und ich sie für praktikabel halte, nutze ich sie.

Was du tun kannst

Wenn du dieses latente Unwohlgefühl in Bezug auf deine Privatsphäre kennst, hoffe ich, dass dieser Artikel dir dabei hilft, das Thema für dich einzuordnen.

Wenn ich dein Interesse ein wenig wecken konnte, findest du weiter unten weiterführende Informationen.

Wenn du das nächste Mal eine neue App oder Software brauchst, suche doch nach einer datenschutzfreundlichen Alternative. Oder recherchiere nach einer Alternative für einen der Datenkraken, die du aktuell nutzt.

Das Thema Privatsphäre ist komplex. Wenn du mit EINER Sache anfängst, ist es eine mehr als vorher.

📚 Quellen und zusätzliche Informationen

Warum mir Privatsphäre wichtig ist

Begriffe sortiert

Was ich tue/Was du tun kannst

Zusätzliche Informationen

  • Denkangebot Podcast von Katharina Nocun: Die Folge Nix zu verbergen ist sehr hörenswert und macht deutlich, dass wir alle etwas zu verbergen haben.
  • Glenn Greenwald, einer der Journalisten, der Edward Snowdens Informationen veröffentlicht hat, spricht im TED-Talk darüber Warum Privatsphäre wichtig ist. Der Talk ist auf englisch, aber es gibt ein deutsches Transkript.
  • Was mit persönlichen Daten passieren kann, wenn ein privater Anbieter gehackt und insolvent wird, beschreibt dieser taz-Artikel: Die Geschichte eines digitalen Super-GAUs und seiner Folgen.
  • Blog mit vielen lesenswerten Artikeln zum Thema IT-Sicherheit und Datenschutz: Kuketz
  • Verschiedene Artikel zum Thema Überwachung und Privatsphäre: Amnesty International